Interview

M.Sc. Katharina Rettschlag

 

Gruppenleiterin Glas der Abteilung Produktions- und Systemtechnik, Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH)

Was ist Ihrer Meinung nach zur Realisierung der Vision des Netzwerks AMglass+ erforderlich? („Glas wird zum freigeformten konstruktiven Werkstoff. Freiform-Glasprodukte können wirtschaftlich und in ungeahnter Größe hergestellt werden“) 


 „Wir müssen das Materialverhalten des Glases vollumfänglich verstehen und beherrschen können. Das ist in meinen Augen ein wesentlicher Punkt, um die Vision realisieren zu können. Wenn das gegeben ist und wir somit aktiv Fehler in einem Prozess vermeiden können, dann kann Glas additiv in allen Formen und Größen gefertigt werden - vorausgesetzt man verfügt über die entsprechenden Anlagen. Die Kontrolle und das Verständnis des Materialverhaltens, wenn das Glas viskos bzw. erweicht ist und wie das Material sich verhält, wenn der Prozess zu Ende ist, ist die größte Hürde.“ 

Welche Vorteile sehen Sie bei der Verwendung von Glas im Vergleich zu anderen Materialien?

„Einerseits sehe ich einen Vorteil in den Eigenschaften des Werkstoffes: Glas weist viele Vorteile auf, welche Keramiken, Polymere und Metalle beispielsweise nicht haben. Der wesentliche Vorteil von Glas, welcher für alle sichtbar ist, ist die Transparenz. Besonders in der Architekturbranche, wenn es um lichtdurchlässige Fassadentechnik geht, ist Glas das Mittel zur Wahl. Für uns sind jedoch auch andere Eigenschaften sehr wichtig, wie beispielsweise eine hohe chemische Beständigkeit sowie Temperaturbeständigkeit. Diese Eigenschaften sind vor allem beim Einsatz des Werkstoffes für chemische Behältnisse oder Tanks relevant, als auch bspw. in der Herstellung von Elektronikkomponenten mit Glas. 

In unserem Hause arbeiten wir bspw. viel mit Quarzglas, bei dem unser Arbeitspunkt bei über 2.000 Grad Celsius liegt und welches i.d.R. eine hohe optische Qualität aufweist. Auch weist Glas eine sehr hohe Temperaturwechselbeständigkeit auf, der genaue Wert variiert dabei je nach Glassorte. Dies ist im Hinblick auf Anwendungen in der freien Natur, wo die Materialien Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, ein großer Vorteil gegenüber Polymeren sowie metallischen Werkstoffen. Aufgrund der genannten Vorteile wird insbesondere auch in Branchengebieten wie dem Glasapparatebau, der Optik und der Medizintechnik überwiegend mit Glas gearbeitet.“

Denken Sie als Visionär: Welches Glasprodukt gibt es in 10 Jahren, was heute noch unvorstellbar ist? 

„Ich könnte mir vorstellen, dass optische Netzwerke oder freigeformte Optiken möglich sein könnten. Das ist aber jetzt im sehr kleinen Maßstab gedacht. Wenn ich überlege, was im größeren Maßstab möglich ist, fällt mir als erstes die Architektur- oder die Kunstbranche ein, wo Fassaden, Treppen oder Mobiliar aus Glas gefertigt werden. Es gibt natürlich im Interieur auch Armaturen oder andere Dinge, die aus Glas sind und aktuell noch mit sehr hohem Aufwand anderweitig gefertigt werden. Die Fertigung dieser Produkte mittels additiver Fertigung wäre dann deutlich einfacher möglich.“