Interview
Jonas Muth, M.Sc.
Research Associate, Department of Civil and Environmental Engineering Sciences at Technische Universität Darmstadt
Wo sehen Sie die größten Potenziale von Glas-3D-Druck?
"3D-Druck ermöglicht es, in allen Disziplinen Strukturen völlig neu zu denken. Es sind Geometrien herstellbar, die subtraktiv oder umformend nicht zugänglich waren. Das gilt auch für Glas. Eingesetzt als Fügeverfahren ermöglicht additive Fertigung es, nahezu beliebig große, vollständig transparente Strukturen herzustellen – beispielsweise eine vollständig transparente Gebäudehülle.
Da vor allem im Bereich von Glasfassaden die Verbindungen bzw. Anschlüsse ein besonderes Schlüsseldetail darstellen, ermöglicht der Glas-3D-Druck hier gänzlich neue Herangehensweisen."
Welches konkrete Problem könnte die additive Fertigung von Glas lösen?
"Subtraktive Fertigungsschritte, z.B. Schneiden oder Bohren, führen in Glas zu Mikrorissbildung. Aufgrund der Sprödigkeit des Materials, sind diese Mikrorisse maßgebend für die Festigkeit des gesamten Glasprodukts. Additive Fertigung kann subtraktive Herstellungsschritte vermeiden und Verbindungen ohne Initialschädigung des Materials herstellen. Des Weiteren könnte additive Fertigung in der Ertüchtigung von bereits bestehenden Strukturen einen wichtigen Beitrag leisten, da sich – auch insgesamt im Bauwesen – der Blick zunehmend in die Richtung der Ertüchtigung der bestehenden Bausubstanz fokussiert."
Welche Trends sehen Sie in der Glasindustrie/im (konstruktiven) Glasbau?
"Ein Trend der Glasbranche sind große Glasscheiben. Im Bauwesen sind diese anfällig für Windlasten. Hier können aufgedruckte, materialreine und transparente Aussteifungen Abhilfe schaffen. Darüber hinaus gewinnt die Adaptivität, sowie Multifunktionalität von Glasprodukten immer weiter an Bedeutung. Additive Fertigung ermöglicht es hier ganze neue Funktionalitäten zu erschließen. Ein weiterer Trend ist in der Weiterentwicklung von schaltbaren Gläsern zu sehen. Diese als dynamische Kommunikationsmittel in der gebauten Umwelt zu implementieren stellt eine interessante Entwicklungsrichtung dar. Die größten Potentiale liegen aber in der Integration nachhaltiger Strategien bei Glasanwendungen und damit verbunden in der Rezyklierbarkeit und Rückführung von bereits verbauten Glasprodukten."